Lösungen finden auf unbekanntem Terrain

Lösungen finden auf unbekanntem Terrain

von Martin Bauer
Mentor socialmentoring 2016/17, 31. Oktober 2017

Der erste Tag als Führungskraft in einem neuen Aufgabenbereich, in einer neuen Organisation ist unbekanntes Terrain. Was mache ich zuerst? Wie mache ich es? Wie geht es meinen neuen KollegInnen mit mir? Wie geht es mir? So viele Fragen – und doch muss man die Antworten darauf selbst finden. Komfortzone? Im Alltag als Führungskraft ist sie weit entfernt.

socialmentoring ist ein ebenso kaltes Wasserbecken, eine zutiefst reale Herausforderung, eine Mutprobe, der man sich stellt, wie zu Beginn einer neuen Führungsaufgabe. Das Programm ist eine Grenzerfahrung, auf die man sich bewusst einlässt, um sich bewegen zu müssen – nein – zu können! Das Verlassen der eigenen Komfortzone gleicht einer Suche nach sich selbst.

Lösungskonzepte? Rezepte?

Erfahrungen, Hinweise, Ratschläge, Theorien, Tools, Rollenspiele – all das gibt es, aber keine Rezepte, keine vorgefertigten Lösungen. Die findet man selbst. Am Weg dorthin passiert dann das Learning. Durch Scheitern und einen neuen Anlauf, eine neue Strategie, ein neues Verstehen.

Mein Learning fand weit außerhalb meiner Komfortzone statt. Dort, wo man sich selten hinwagt. Weit weg von vertrauten Mustern, entfernt von jener Welt, die man als die wahre ansah. Jenseits von dem, was man in Führungskräftetrainings schon oft gehört oder trainiert hat. socialmentoring war für mich ein Stück neue Lebenserfahrung, eine Mischung aus Coaching und Realtraining, Hilfestellung geben und annehmen. In andere Lebensrealitäten einzutauchen nimmt einen mental mit – auf eine Reise in eine Welt, die man danach mit anderen Augen sieht.

Um es abschließend mit einem Satz auszudrücken: socialmentoring ist ein intensives Programm, auf das man sich bewusst einlässt, um seiner/seinem Mentee und sich selbst dabei behilflich zu sein, sich weiterzuentwickeln, wobei man die Komfortzone hinter sich gelassen hat.

Martin Bauer ist Leiter der Abteilung II/8 im Bundesministerium für Bildung und hat von Oktober 2016 bis Mai 2017 am socialmentoring-Führungskräftetraining teilgenommen.

Alleinerziehende auf dem Weg aus der Armutsgefährdung

Alleinerziehende auf dem Weg aus der Armutsgefährdung

Ein soziales Unternehmensmodell

von Gerhard Lechner
Gründer socialmentoring, 18. Oktober 2017

 

Ziel: Reduktion der Armutsgefährdung durch doppelseitiges Trainingsprogramm

Es ist das deklarierte Ziel von socialmentoring, die Armutsgefährdung in Österreich zu reduzieren.
socialmentoring ist als doppelseitiges Trainingsprogramm konzipiert und funktioniert folgendermaßen: eine Führungskraft wird mit einem Menschen in finanziell schwieriger Erwerbssituation zusammengebracht und hat die Aufgabe, diesen auf seinem Weg zum existenzsichernden Job zu begleiten.

 

Hohe Armutsgefährdungsquote bei Alleinerziehenden

Alleinerziehende sind in Österreich die Personengruppe mit der höchsten Armutsgefährdungsquote, also mit dem größten Risiko, aufgrund zu geringen Einkommens ihren Unterhalt nicht bestreiten zu können. Deshalb werden in socialmentoring-Durchgängen vorrangig Alleinerziehende an MentorInnen vermittelt.

Im Idealfall finden Alleinerziehende während des socialmentoring-Programms oder kurze Zeit danach einen Job, der ihren Stärken entspricht und der sie finanziell stärker absichert.

Durch die intensive Arbeit mit den MentorInnen und das begleitende Trainingsangebot unterstützt das Programm unsere Mentees im Erkennen eigener Stärken und beruflicher Kompetenzen. Weitere Schwerpunkte liegen in der Verbesserung der Selbstkompetenzen und der Zielorientierung sowie im Training von Bewerbungskompetenzen. Im Einklang mit gesteigertem Selbstvertrauen sind dies stabilisierende Maßnahmen für den Weg aus der Armutsgefährdung.

 

Beidseitiges Learning

Da die Führungskräfte während des Programms dazu motiviert werden, ihre gewohnten Räume und Verhaltensmuster zu verlassen, entwickeln sie sich selbst in Beziehungs- und Sozialkompetenz sowie stärkenorientiertem Führen weiter.

Die armutsgefährdeten Menschen hingegen erhalten durch das Training Zugang zu erfolgversprechenden Methoden, um ihren beruflichen Weg zum selbsterhaltungsfähigen Leben in Würde zu entwickeln.

Das gesamte Programm wird von einem Team aus fünf erfahrenen ExpertInnen begleitet.

 

Zahlen zur Situation von Alleinerziehenden in Österreich

(Daten entnommen aus der Presseaussendung der ÖPA, Österreichische Plattform für Alleinerziehende: Alleinerziehende begrüßen Einigung der Parteien auf Unterhaltssicherung vom 27.9.2017)

  • Personen in Ein-Eltern-Haushalten haben ein deutlich höheres Risiko von Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung (40%) als die Bevölkerung insgesamt. Nach Haushaltstyp betrachtet sind Ein-Eltern-Haushalte als hauptsächliche Risikogruppe anzusehen. (Armut und soziale Eingliederung 2016. Ergebnisse aus EU-SILC 2015 & 2016. Dr. Konrad Pesendorfer)
  • Im Jahr 2016 gab es 179.900 Ein-Eltern-Haushalte mit zu erhaltenden Kindern unter 25 Jahren, davon: 160.200 Mütter und 19.700 Väter bzw. 112.000 Alleinerziehende mit Kindern unter 15 Jahren (Statistik Austria, 2016).
  • 356.000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren sind armuts- und ausgrenzungsgefährdet, das ist ca. jede/r fünfte. 289.000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren, das heißt 16 %, gelten als armutsgefährdet. (Siehe: https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/7/0/0/CH3434/CMS1493709119968/tabellenband_eu-silc_2016.pdf )
  • Aus Mangel an einer zeitgemäßen repräsentativen Kinderkostenstudie hat Univ. Prof. i.R. Reiner Buchegger in der Ausgabe 02/2017 von „Alleinerziehende auf dem Weg“ im Leitartikel „Kinder kosten Geld – doch wie viel?“ eine Hochrechnung angestellt. Über wie viel [mehr] Einkommen müsste ein Ein-Eltern-Haushalt mit Kind verfügen, um denselben Wohlstand zu haben wie ein Haushalt ohne Kind? Die Antwort ist im Schnitt [zusätzlich] 8.600€ pro Jahr oder 480€ pro Monat.

 

Mentoring auf Augenhöhe

Mentoring auf Augenhöhe

von Sabina Haas
Karriereberaterin und Coach bei socialmentoring 2016/17

Normalerweise ist das Verhältnis des Mentors/der Mentorin zu seinem/ihrem Mentee eine Lehrer-Schüler-Situation. Der/die „alte“ MentorIn gibt sein/ihr Wissen weiter an den/die Junge/n, hilft ihm/ihr, nimmt ihn/sie an der Hand und begleitet ihn/sie ein Stück des Weges. Der/die MentorIn ist eine Ressource für seinen/ihren Mentee.

Im Trainingsprogramm socialmentoring haben wir diesem Verhältnis noch zwei Dimensionen hinzugefügt: erstens ist der/die Mentee auch eine Ressource für den/die MentorIn, und zweitens machen wir die Begegnung auf Augenhöhe zum Programm.

Das Tandem aus MentorIn und Mentee ist sich gegenseitige Ressource. Der/die MentorIn unterstützt den/die Mentee bei seiner/ihrer beruflichen Weiterentwicklung, der/die Mentee unterstützt den/die MentorIn beim Erweitern seiner/ihrer Beziehungs- und somit Führungskompetenz.

Gelungene Beziehungen

Sich auf eine ungewohnte Beziehung einlassen, Augenhöhe einnehmen und gegenseitige Wertschätzung entgegenbringen – das ist das Rezept, aus dem die Tandems gemeinsam und auch jeder für sich, ihre eigenen Lernerfahrungen ganz unterschiedlicher Art gemacht haben.

Gelungene Beziehungen und soziale Kompetenzentwicklung finden nur dann statt, wenn genau diese Augenhöhe und gegenseitige Wertschätzung vorhanden ist. Diese Kompetenzen zu fördern war unser Ziel, und so haben wir als TrainerInnen-Team ganz besonderes Augenmerk darauf gelegt. Und wenn ich die Feedbacks, die Kommentare und Selbstreflexionen der TeilnehmerInnen betrachte sowie die Stimmung beim Abschlussfest als Indikator nehme: Uns allen ist hier miteinander wirklich etwas Besonderes gelungen.

Eine Frage hätt’ ich noch!

Als Coach habe ich in diesem Lehrgang höchst interessante, gebildete und gut ausgebildete, kreative, mutige Menschen kennen gelernt. Jede/r mit seinem/ihrem Erfahrungsrucksack an Erfolgen, Niederlagen, Limitationen, Träumen, Wünschen und Hoffnungen. Jede/r mit seiner/ihrer Geschichte.

Den Mut sich einzulassen haben alle aufgebracht. Und die meisten sind auch dran geblieben.

Ich frage mich jedoch oft, was wir als Gesellschaft ändern müssen, damit es nicht immer wieder dieselben Gruppen sind, die es im Leben schwerer haben als andere: alleinerziehende Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Unser Weg, eine Begegnung auf Augenhöhe und sich kennen und menschlich schätzen zu lernen, hilft auf alle Fälle.

Sabina Haas ist Karriereberaterin und unterstützt die TeilnehmerInnen am socialmentoring-Programm mit Einzelcoachings.
www.sabinahaas.at

Leadership heißt neue Landkarten akzeptieren

Leadership heißt neue Landkarten akzeptieren

von Rudolf Kunschek
Mentor socialmentoring 2016/17, 20.9.2017

Die Kombination von Wirtschaft (Führungskräftetraining) und sozialer Kompetenz bzw. sozialer Verantwortung (Coachen des Mentees) ist genial. Gelerntes wird nicht nur in Übungen, sondern sofort in der Praxis angewandt. Durch die Zusammenarbeit mit einer Person, die so unmittelbar von begleitender Unterstützung und Führung profitieren kann, entstehen Forderungen an die eigene Person, die man bisher vielleicht nicht gekannt hat. So hatten mein Mentee und ich teilweise unterschiedliche „Geschwindigkeiten“ und es war in Einzelfällen sehr herausfordernd, dies zu erkennen und damit umzugehen. Ein offenes Gespräch und das Ausblenden der eigenen Geschwindigkeit halfen jedoch dabei, die Situation zu managen.

Eine der wichtigsten Erfahrungen aus dem Führungskräftetraining ist die Wahrnehmung des individuellen Blickwinkels, den jeder einzelne einnimmt. Jeder Mensch hat seine eigene Landkarte und seine eigene Perspektive darauf – und jede Perspektive benötigt Anerkennung.

Für mich wird es künftig auch wichtig sein, auf eine ausgewogene Balance zwischen Nähe und Distanz zu achten. Es war sehr interessant, den Zugang der anderen MentorInnen diesbezüglich kennen zu lernen, aber auch die Auswirkung auf den eigenen Mentee zu erkennen.

Mich freut es besonders, dass mein Mentee in unserer gemeinsamen Zeit neue Perspektiven entwickeln konnte, wichtige Schritte im Aufbau seines eigenen Netzwerks machte und zuletzt in einer vielversprechenden Bewerbungssituation stand. Somit kann das Experiment ‚beiderseitige Weiterentwicklung’ als gelungen betrachtet werden: Sowohl die persönliche und berufliche Weiterentwicklung bei meinem Mentee als auch meine eigene Weiterentwicklung v.a. in Bezug auf das Führen lernen ohne die Macht der Organisation dahinter sowie meine gesteigerte Achtsamkeit in Bezug auf die Nähe-Distanz-Balance.

Rudolf Kunschek ist Projektmanager in der Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. und hat von Oktober 2016 bis Mai 2017 am socialmentoring-Führungskräftetraining teilgenommen.

Bessere Zusammenarbeit durch geklärte Rollen – Wie deklarierte Erwartungshaltungen zum Erfolg führen

Bessere Zusammenarbeit durch geklärte Rollen – Wie deklarierte Erwartungshaltungen zum Erfolg führen

von Karin Weigl
Leadership Coach socialmentoring 2016/17, 17. August 2017

Vorstellungen und Erwartungen kennen wir alle. Wir haben sie an uns, und auch an andere. Und oft sind diese Vorstellungen und Erwartungen Ursachen für Unklarheiten. Oft sind unsere Vorstellungen und Erwartungen auch unbewusst: wir kommen gar nicht auf die Idee, dass jemand anderer eine Situation ganz anders sehen könnte. Dementsprechend sprechen wir dann auch nicht darüber. Wir gehen davon aus, dass es klar ist, was zu tun ist und wer zum Beispiel in einer Zusammenarbeit welche Rolle oder Aufgabe hat.

Rolle oder Funktion?

Im letzten socialmentoring-Trainingsdurchgang zeigte sich immer wieder, dass Unklarheit in den Rollen Unruhe in die Zusammenarbeit zwischen MentorIn und Mentee bringt.
Die Funktion des Mentors/der Mentorin in socialmentoring lässt sich allgemein gut beschreiben als BegleiterIn des/r Mentee auf seinem/ihrem Weg der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung.
Die Beschreibung der Rolle(n) ist allerdings individuell auf den/die jeweilige/n PartnerIn abzustimmen und hängt auch von konkreten Situationen ab.
Für die teilnehmende Führungskraft bedeutet dies, dass sie hier in ihrer Funktion MentorIn (und nicht Führungskraft!) für den/die Mentee ist. In Ihrer Rolle kann sie grundsätzlich BeraterIn, ExpertIn, Coach, Leader oder auch OrganisatorIn sein. Situativ kann es aber auch beispielsweise die Rolle der ModeratorIn in einem Meeting, der VermittlerIn, der TroubleshooterIn oder auch der Vertrauensperson sein.

Was ist meine Rolle?

Die Rollenklärung trägt dazu bei, dass beide ein gemeinsames Verständnis ihrer Rollen haben. Das ist nichts, was von außen vorgegeben werden kann. Das ist etwas, was sich aus der Beziehung heraus zeigt und welche Form der Unterstützung der/die Mentee individuell benötigt.
Wenn ein/e MentorIn sich also zu stark in seiner/ihrer gewohnten Rolle als Führungskraft sieht und sich nicht zu tief in eine persönliche Beziehung einlassen möchte, weil es für ihn/ sie ein beruflicher Kontext ist, dann kann das Enttäuschung beim/bei der Mentee hervorrufen. Diese/r hat sich vielleicht mehr emotionale Unterstützung und ein freundschaftliches Verhältnis erwartet. Vor allem, wenn dies vorher nicht ausgesprochen und geklärt wurde.
Wenn der/die MentorIn sich in einer helfenden Rolle sieht, kann es sein, dass er/sie zu viel Unterstützung gibt, zu hohe Erwartungen an den Erfolg seines/r Mentee hat und das Ergebnis persönlich nimmt.
Wenn ein/e Mentee sich erwartet, dass mit dem/der MentorIn jemand da ist, der ihm/ ihr „das Leben in Ordnung bringt“, dann kann auch das zu Frustration führen, wenn der/die MentorIn diesem Auftrag nicht nachkommen kann und will.

Gemeinsam klar und arbeitsfähig sein

Das erste Treffen zwischen MentorIn und Mentee sollte also vor allem dazu da sein, die Erwartungen und Rollen zu klären und sich gemeinsam diese und ähnliche Fragen zu stellen:
• Was erwarten wir uns von dieser Zusammenarbeit?
• Welche Erwartungen des/r jeweils anderen kann/ will ich (als MentorIn/ Mentee) erfüllen? Welche nicht?
• Was darf in der Zusammenarbeit nicht passieren?
• Was brauchen wir in der Zusammenarbeit voneinander (z.B. Spielregeln, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Vertraulichkeit …)
• Was ist der Auftrag an den/die MentorIn seitens Mentee? (z.B. motivieren, bestärken, recherchieren, Impulse geben …) Und kann/ will der/die MentorIn diesem in der gewünschten Form nachkommen?
Diese Regeln für die Zusammenarbeit schaffen eine arbeitsfähige Beziehung, in die sich beide einlassen können. Am besten werden diese Vereinbarungen schriftlich festgehalten und von beiden unterschrieben. Falls während der gemeinsamen Zeit Unklarheiten auftreten, kann man diese Vereinbarung immer wieder hernehmen und überprüfen und ggf. ergänzen. Das schafft Commitment, Klarheit und eine gute Basis für eine gelingende, gemeinsame Zeit.

Karin Weigl / Leadership Coach

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